Rezensionen

Schneewaldschnitte

„Die formal vielgestaltigen Linolschnitte von Antje Seemannn, die allein schon in ihrer handwerklichen Sicherheit verblüffen (was aber nicht mit der Kunst zu verwechseln ist), zeigen zumal in den bildhaft klaren, durchrhythmisierten „Waldstücken“ (mit Titeln wie „Venn I“ oder „Venn II“) eine eindringliche Nähe zur Natur, zum individuellen Reichtum der Baum- und Pflanzenformen, zur natura naturans, zu Wachstum und Werden. Dies ist keine nostalgische Wiederbelebung der Holzstichkunst des 19. Jahrhunderts, sondern rekurriert auf die Nüchternheit heutiger Fotografie, die das Werkzeug liefert. So entstehen dann die Bildmontagen analog zur Natur in freier Komposition und Bildbearbeitung, wenn’s sein muss mit verschiedenen Fluchtpunkten und Perspektiven im Bildraum und nicht ohne gewisse Brechungen.

Was uns hier so selbstverständlich und fast banal als Natur begegnet, ist nichts anderes als ein durch und durch artifizielles Konstrukt. Erst beim zweiten und dritten Hinsehen offenbart die ach so schöne Natur den künstlerischen Atem der Manipulation und lässt zugleich bewusst werden, dass unser vorprogrammiertes Sehen, in vielen geläufigen Vorurteilen, nur selten die tatsächlichen Konstrukte erspürt und in ihrer Eigenheit erkennt.“

Dr. Hans M. Schmidt, Rede anlässlich der Verleihung des Douglas Swan-Förderpreises am 11.7.2010 


„Rare Durchblicke in den Himmel ziehen den Betrachter magisch ins Bild hinein. Prompt stellen sich ihm jedoch Baumstämme oder sperriges Buschwerk in den Weg. Nur selten lädt ein Pfad en, das Dickicht zu durchdringen. Unterschiedliche Pflanzen stehen gleichberechtigt im Bild, keine wird anmutig in Szene gesetzt. Sie konkurrieren nicht miteinander, sondern sie sind in ruhiger Selbstverständlichkeit nur das, was sie sind: Gewächse, von denen keins dem andern gleicht, die alle im gleichen Maße einzigartig und doch gewöhnlich sind.“

Britta Dünnes, „Das bekannte Unbekannte in den Linolschnitten von Antje Seemann“, erschienen in GRAPHISCHE KUNST, November 2012



„Mit der Aufforderung an den Betrachter, in einen Dialog mit einem Stück inszenierter Natur zu treten, steht Antje Seemann in der Tradition der Landschaftsmalerei. Die Linolschnitte erzählen uns nicht nur von Pflanzen und Konturen, sondern auch von der Anstrengung und Anmaßung, sich Orte zu eigen zu machen und umzuinterpretieren. Rätselhafte Hinweise auf tief verborgene Emotionen schimmern durch die präzise technische Umsetzung hindurch. Schönheit oder Unheimlichkeit? Unberührtheit oder Verlassenheit? Erbauung oder Hindernis?“
 
Britta Dünnes, „Das bekannte Unbekannte in den Linolschnitten von Antje Seemann“, erschienen in GRAPHISCHE KUNST, November 2012